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Das Symposion zur Bedeutung der Entscheidungen des Gerichtshofes für Menschenrechte in der Praxis der österreichischen Höchstgerichte stieß bei Kolleginnen und Kollegen, Vertretern der Wissenschaft, der Legistik und Rechtsanwälten auf großes Interesse. Der große Festsaal im Justizpalast konnte den Andrang kaum fassen. Auch in den Medien fand die Veranstaltung ihren Niederschlag. So wurde im Standard vom 15.11.2006 der Eindruck vom Symposion so zusammengefasst: „Europa rückt näher. Das Verhältnis zwischen nationalen Gerichten und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist zwiespältig: Das Konfliktpotenzial wächst.“ Das große Interesse ist sicherlich darauf zurückzuführen, dass Europa zusehends zu einem Rechtsraum zusammenwächst, in welchem internationale Gerichtshöfe als weitere „Instanzen“ eine immer prominentere Rolle spielen. Die Wahrung der innerstaatlichen Raschheit und Effizienz der Verfahren und die rasche Umsetzung der internationalen Rechtsentwicklung gewinnt eine immer größere Bedeutung. Im Bereich der Grund- und Menschenrechte kommt dem Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg eine wesentliche Leitfunktion zu. Gleich einleitend trug die teilweise kritische Auseinandersetzung der Präsidenten der drei österreichischen Höchstgerichte mit dessen Rechsprechung hochinteressante Aspekte bei. Korinek (VfGH) stellte fest, dass der EGMR immer häufiger "in der Art einer Rechtsmittelinstanz" agiere, indem er selbst Wertungen vornehme und sich nicht darauf beschränke, zu kontrollieren, ob Grundrechtspositionen ausreichend gewürdigt wurden. Damit setze sich der EGMR "an die Stelle der nationalen Grundrechts-Gerichte". Dies gefährde aber deren Akzeptanz. Als Beispiele nannte er das "Caroline-Urteil" über mangelnden Schutz vor Paparazzi-Fotos in Deutschland und das Urteil in der Causa des Grünen Abg. Karl Öllinger, in dem der EGMR anders als der VfGH entschied, dass das Untersagen einer Gedenk-Versammlung auf dem Salzburger Friedhof eine Verletzung des Rechts auf Versammlungsfreiheit war. Jabloner merkte an, dass EMRK und Verwaltungsgerichtsbarkeit "kein harmonisches Ensemble" seien. So wären zur vollständigen Konformität mit der EMRK die noch immer nicht ausstehenden Landesverwaltungsgerichte erster Instanz nötig - auch um die Überlastung des VwGH abzubauen. Jabloner äußerte zudem - unter Hinweis auf die Fälle Omofuma und Wague - "Unbehagen" über mangelhafte Instrumente zum präventiven Grundrechtsschutz. Menschenrechtsbeirat und Rechtsschutzbeauftragte müssten aber besser in das Rechtsschutzgefüge eingepasst werden - etwa, indem man Richter beizieht. Rzeszut betonte die Sensibilität des OGH in Grundrechtsfragen. Man habe vor allem auch die schwierige Aufgabe, im Sinn eines gerechten Urteiles den Sachverhalt "mängelfrei" und somit realitätskonform festzustellen. Dafür müsse man "an der Realität anknüpfen und nicht an einer virtuellen Welt", indem man z.B. nicht alle zur Verfügung stehenden Quellen und Unterlagen ausschöpft. Der Leiter des Instituts für Menschenrechte, Wolfram Karl, stellte plastisch die Überlastung des EGMR dar. Er plädierte für eine unmittelbare Wirkung von EGMR-Urteilen in Österreich, soweit das möglich ist. Dem für das Strafverfahren eingeführten Wiederaufnahmemodell des § 363a STPO attestierte er gute Erfolge erachtete aber eine Erstreckung auf den Zivilprozess als nicht wünschenswert. Grabenwarter (Verfassungsgerichtshof) arbeitete in seinem Referat wesentliche Fallgruppen von Entscheidungen heraus und präsentierte in anschaulicher Form wie in den verschiedenen Bereichen in einer Art „Rechtsprechungsdialog“ zwischen Straßburg und Wien die Grundrechte weiterentwickelt werden. Die Schwierigkeiten der Erfassung der „Straßburger“ Judikatur sieht er –neben sprachlichen Problemen und deren Fülle- vor allem in der Kasuistik und Einzelfallbezogenheit. Handstanger (Verwaltungsgerichtshof) betonte den „evolutiven“ Charakter der Rechtsprechung des EGMR, aber auch die Wichtigkeit des einfachen Textes der EMRK. Auch er sieht – so wie Jabloner - einen Reformbedarf in der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Ratz (Oberster Gerichthof) stellte die Bedeutung der EGMR Entscheidungen für die Rechsprechung des OGH in Strafsachen dar und regte im Zusammenhang mit Verurteilungen Österreichs, die in Verfahren erfolgten, in denen der OGH nicht angerufen werden konnte, die Ausweitung der bisher nur eingeschränkt bestehenden Möglichkeit einer Grundrechtsbeschwerde an den OGH an. Die einzelnen Referate werden in der Richterzeitung veröffentlicht werden. Insgesamt wurde auch bei der anschließenden Diskussion deutlich, dass den österreichischen Höchstgerichten die Funktion der Übertragung der Entwicklungen in der Rechtsprechung des EGMR in die österreichische Rechtspraxis mit großem Interesse wahrnehmen. Eine praktische Erleichterung beim Auffinden der Entscheidungen des EGMR wird dadurch auftreten, dass über den OGH (Evidenzbüro) die wesentliche Entscheidungen des EGMR im Rahmen einer Kooperation mit dem Österreichischen Institut für Menschenrechte nunmehr in die für alle zugängliche Datenbank RIS Justiz in bearbeiteter Form aufgenommen werden. Medienecho: |