Die Suche nach der perfekten Justiz von Martin Ulrich
Am 26. August 2010 fand im Bundeskanzleramt über Ersuchen der Standesvertretungen ein Justizgipfel statt, zu dem der Bundeskanzler neben den richter- und staatsanwaltschaftlichen Standesvertretungen auch den Vizekanzler, die Justizministerin und die Beamtenministerin eingeladen hatte. Hoch waren die Erwartungen angesichts der im Vorfeld vielfach medial geäußerten Kritik an einzelnen – in das Blickfeld der Öffentlichkeit gerückten – staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren. Glaubt man manchen Stimmen in den Medien der vergangenen Monate, so werde gegen „wichtige“ Personen bloß unzureichend ermittelt und wenn doch, dann würden junge StaatsanwältInnen ihren Talar gegen Glacéhandschuhe tauschen. Überdies ginge alles viel zu langsam. Der (unzutreffende) Vorwurf, die Justizministerin würde vorauseilend gehorsamen StaatsanwältInnen – sofern überhaupt noch erforderlich – schon den „richtigen“ Weg weisen, wird – auf Kosten der Justiz – vermehrt Bestandteil parteipolitischer Auseinandersetzung. Genährt hat dieses Treffen auch die Hoffnung, die Formel für die (selbstverständlich kostenneutrale) Lösung all dieser Probleme zu finden. Diesem hohen alchimistischen Anspruch konnte selbstverständlich nicht entsprochen werden und dennoch: Angesichts der aktuellen Budgetlage ist das vorerst erreichte Ziel beachtlich: zusätzliche 28 Millionen Euro bis zum Jahr 2014 für das Justizbudget, was im Wesentlichen 189 weiteren Planstellen und damit einer Rücknahme der bereits in dieser Größenordnung beschlossenen Personalkürzung entspricht. Doch mit der teilweisen Bedeckung des justiziellen Personalbedarfs allein – mag sie auch überlangen Verfahren in Teilbereichen entgegenwirken – ist die Formel für eine „perfekte Justiz“ noch lange nicht gefunden. Da ist auch noch die Sache mit dem „Vertrauen“ und die Frage, wie ich Vertrauen bewahre beziehungsweise gar zurückgewinne. Und warum sei nach Meinung mancher dieses Vertrauen in die unabhängige Tätigkeit der Justiz überhaupt gefährdet oder gar teilweise verloren gegangen? Glaubt man den Medien, dann ist man wieder beim pauschal vermuteten Verdacht politisch motivierter Einflussnahme auf die Staatsanwaltschaften angelangt. Dass allfällige Weisungen zum Ermittlungsakt zu nehmen sind, Berichtspflichten und Weisungen auch der Qualitätssicherung dienen und das ministerielle Weisungsrecht in der Praxis zahlenmäßig völlig unbedeutend ist, interessiert da nicht. Der beste Mediensprecher findet sich bald als der sprichwörtliche Prediger in der Wüste. Doch warum lässt sich die Öffentlichkeit trotz dieser Fakten nicht vom Gegenteil überzeugen und was schadet dem Bild einer unabhängig agierenden Staatsanwaltschaft? Tatsächlich ist es offenkundig der Anschein, der zwangsläufig durch das gesetzlich institutionalisierte Misstrauen der Politik gegenüber den Staatsanwaltschaften (§ 8f StAG) – insbesondere in „heiklen“, die „Prominenz“ des Landes betreffenden Fällen – erweckt wird. Wie soll sich aber die Bevölkerung ihr uneingeschränktes Vertrauen in ihre StaatsanwältInnen bewahren, wenn dies schon ihrem Repräsentant sichtlich schwer fällt. Dass dabei das über das gewaltentrennende Grundprinzip greifende Weisungsrecht aktuell sowie in den zurückliegenden Jahrzehnten nur zur juristischen Qualitätssicherung verwendet und nicht zur politischen Einflussnahme missbraucht wird beziehungsweise wurde, ist einer Reihe seriösen JustizministerInnen hoch anzurechnen. Die Öffentlichkeit nimmt davon jedoch kaum Notiz. Mit ihrem Vorhaben, die Themenbereiche Weisungsrecht und -spitze sowie „Rat der Gerichtsbarkeit“ ernsthaft zu diskutieren, hat die Regierungsspitze die – insbesondere auch seitens der Politik mitverursachten – Problemfelder in der öffentlichen Wahrnehmung durch die Bevölkerung richtig diagnostiziert. Die Standesvertretungen stehen mit ihrer Expertise uneingeschränkt zur Verfügung. Diesen künftig zu führenden Gesprächen wird somit ganz besondere Bedeutung zukommen, sie sind offen zu führen, Für und Wider werden behutsam abzuwägen sein. Auch hier gilt: die bessere – einer sicht- und spürbar unabhängigen Justiz am meisten dienende – Lösung soll zum Durchbruch gelangen. Doch auch die Politik ist gefordert, sich zu „trauen“ ihre Ankündigungen auch ernsthaft weiterzuführen und dieses „heiße Eisen“ nicht der Justiz zurückzuspielen. Denn es geht auch um das Vertrauen in die Politik; in diesem Sinne schafft „sich trauen“ auch „Vertrauen“! |