| Editorial 2013-09 |
David gegen Goliathvon Klaus Schröder
Unter missbräuchlicher Verwendung des Namens des Vorsitzenden eines Rechtsmittelsenates hat kürzlich ein rechtskräftig Verurteilter, dessen Berufung von eben diesem Rechtsmittelsenat keine Folge gegeben wurde, einen E-mail- Account eingerichtet. Mit Bild und Namen des Richters und dem Logo einer Parlamentspartei wurde sodann an eine Vielzahl von Personen eine gefälschte Wahlwerbung für diese Partei verschickt, in der übelste fremden-, juden- und moslemfeindliche sowie naziverherrlichende Parolen enthalten sind. Vor allem aufgrund der moslemfeindlichen Äußerungen und Beleidigungen des Propheten Mohammed müsste der Kollege unter Personenschutz gestellt werden. Die Staatsanwaltschaft leitete aufgrund der Privatanzeige des Richters zwar ein Ermittlungsverfahren gegen den Verdächtigen ein, der Kollege sah sich aber mit einer Vielzahl von Anfragen aus dem Adressatenkreis konfrontiert und musste erklären, dass diese Äußerungen nicht von ihm stammen. Das ist nur ein Beispiel von vielen, wie Angehörige der Justiz mittels des Massenmediums Internet persönlich auf das Ärgste verunglimpft, beschimpft, beleidigt, verleumdet und öffentlich lächerlich gemacht werden. Das BMJ arbeitet unter der Leitung von SC Dr. Kathrein seit einiger Zeit an gesetzlichen Regeln zum Schutz von Justizangehörigen vor derartigen Übergriffen. Leider scheinen der politische Wille zur Umsetzung derartiger Schutzmaßnahmen wenig ausgeprägt und die Angst vor öffentlicher Kritik gegen eine solche Maßnahme groß zu sein. Aber nicht nur im Bereich des Persönlichkeitsschutzes gegen Angriffe im Internet, sondern auch in vielen anderen Bereichen, die dieses elektronische Medium betreffen, hinken die europäische und österreichische Gesetzgebung der virtuellen Realität nach. Internetbetrug, das Ausspähen von Daten, Verstöße gegen das Verbreitungsverbot oder den Jugendmedienschutz, Identitätsdiebstahl, Urheberrechtsverletzungen, Cyber-Terrorismus, Cyber-Mobbing, Volksverhetzung sowie das Verbreiten von Kinderpornographie sind nur einige Bereiche, die für kriminelle Aktivitäten attraktiv sind. Es gibt zwar einige politische Absichtserklärungen wie den Fünf-Punkte-Plan der Europäischen Kommission zum Schutz kritischer Informationsstrukturen (2009) und die Budapester Konvention gegen Datennetzkriminalität (2001), tatsächlich wirksame europäische und weltweite Umsetzungsmaßnahmen mit einer Verankerung im Völkerrecht und der EMRK fehlen aber. Ob die geplante Datenschutzgrundverordnung der EU hier Abhilfe zu schaffen vermag, verbleibt als offene Frage. Es geht aber nicht nur darum, mit den Mitteln des Strafrechtes gegen kriminelle Auswüchse im Internet vorzugehen. Viele die Bürgerinnen und Bürger belastende und beeinträchtigende Internetaktivitäten stellen sich oftmals als ausschließlich zivilrechtlich zu bekämpfende Übergriffe dar. Hier vereinen sich ein hohes Kostenrisiko, schlechte Erfolgsaussichten aufgrund unzureichender zivilrechtlicher Schutzbestimmungen (z.B. der fehlende Zwang zum Löschen von falschen Internetinhalten durch Suchmaschinenbetreiber), mangelnde „Cyber-Kenntnisse“ der in rechtsvertretenden Berufen und im gerichtlichen Entscheidungsprozess tätigen Organen und eine der technischen Entwicklung weit nachhinkende Gesetzgebung zu einer menschenrechtsfeindlichen Mixtur. Ein Schwerpunktgericht pro Bundesland mit speziell ausgebildeten Richtern und entsprechender technischer Infrastruktur könnte, wenn die gesetzlichen Rahmenbedingungen auf nationaler und internationaler Ebene geschaffen würden, ein erster Schritt sein, um den Bürgerinnen und Bürgern den in diesem Bereich dringend notwendigen staatlichen Schutz vor Übergriffen zu bieten. Geradezu zwingend stehen gesetzliche Schutzbestimmungen gegen Internetkriminalität- und Übergriffe in einem Spannungsfeld mit dem Bedürfnis nach Datenschutz und -geheimhaltung. Hier das richtige Augenmaß zu finden erfordert politisches und juristisches Feingefühl. Die aufgrund zweifelhafter EU-Vorgaben eingerichtete Vorratsdatenspeicherung, die noch dazu völlig intransparent und für die Bevölkerung in ihren Auswirkungen nicht nachvollziehbar durchgeführt wird, ist ein fatales Beispiel für eine staatliche Schutzbestimmung. Ob die europäischen und nationalen Entscheidungsträger, die Großteils augenzwinkernd und handlungsgelähmt die menschenrechtsverachtende Bespitzelungspolitik der USA verharmlosen und quasi „durchwinken“ (der Plan eines „No-Spy-Abkommens zwischen Österreich und den Vereinigten Staaten, wie ihn Justizministerin Karl vorgeschlagen hat, ist eine hoffnungsvolle Ausnahme mit allerdings fraglichen Erfolgsaussichten), dazu bereit sind, verbleibt als zweite offene Frage. Die Computerindustrie ist aufgerufen, ihr Know-how auch zur Entwicklung von verbesserten technischen Schutzmaßnahmen gegen ungewollte Auswüchse im Cyberspace einzusetzen.
Hinweis für NSA und HND: Meinen Computer betreibe ich mit einem Verschlüsselungsprogramm. |