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Editorial 02/2013 PDF Drucken E-Mail

Fair trial versus Spektakulum

von Manfred Herrnhofer

Ist es Ihnen auch schon aufgefallen?

Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht in Medien (Print- oder elektronische Medien gleichermaßen) von spektakulären Prozessen berichtet wird. Ob es nun große Wirtschaftsstrafverfahren, Prozesse gegen Manager und Politiker oder um aufsehenerregende Kapitalverbrechen geht, werden die Fälle breitest dargelegt („Uns liegt die Anzeige, die Aussage oder die Anklageschrift vor..“), das Privatleben der Angeklagten im Detail erörtert, sie selbst  lustvoll mit  „Beinamen“ versehen (zB „Eisprinzessin“) und somit öffentlich bereits vor der Hauptverhandlung an den unbegrenzten medialen Pranger gestellt.

Natürlich wird - aus medienrechtlichen Gründen -  auf die Unschuldsvermutung verwiesen, wenngleich ab und an auch dieser Beisatz mit einem hämischen Kommentar versehen ist.

Um das Interesse an dem Gerichtsverfahren anzufachen, wird in Wildwestmanier unter Anführung der wesentlichen Protagonisten (Richterin, Staatsanwältin, Verteidigerin, Angeklagte, alle natürlich mit Bild !) über das kommende Duell vor den Gerichtsschranken berichtet, nicht ohne Details aus dem bisherigen Berufs- und Privatleben der Akteure einzustreuen.

Längst schon hat sich auch in Österreich ein (offensichtlich einträglicher) Zweig der medialen Begleitung von Angeklagten – Stichwort „Litigation PR“-gebildet und sind deren Vertreter vor derartigen Verfahren höchst aktiv.

In den Gerichtssälen bietet sich schließlich meist dasselbe Bild:  Eine Heerschar  von Reportern, Fotografen und Kameraleuten rauft sich um die besten (meist für sie reservierten) Plätze um die besten Bilder und jeden „Sager“ der Beteiligten festzuhalten.

Für die Angeklagten ist es oft ein Spießrutenlauf und gar nicht einfach, sich einen Weg in und aus dem Gerichtsaal durch die Gasse der Medienvertreter zu bahnen. Schnell noch ein Interview vor Verhandlungsbeginn oder in den Pausen, in denen die Presse bereits Wetten über den Prozessausgang abschließt. Das gesamte Verfahren ist mittels „live-ticker“ im Internet zu verfolgen, womit eine objektive Echtzeitberichterstattung suggeriert wird. Dabei ist zu bedenken, dass der Journalist gleichzeitig den Prozessverlauf verfolgt, reflektiert, schreibt und versendet, vorprogrammierte Fehler von allen Konsumenten als bare Münze genommen werden, brisante Aussagen für nachfolgende Zeugen Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Angaben bieten.

Unmittelbar nach Urteilsverkündung WIRD sofort ein „O-Ton“  von Verteidiger, im Falle der Verurteilung möglichst auch vom unter dem Eindruck des Urteilsspruchs stehenden Angeklagten eingeholt, in dem meist erklärt wird, dass alle Rechtsmittel ausgeschöpft werden.

Zur Aufbereitung von Rechtsmittelverfahren wird von Verteidigern gerne die Gelegenheit wahrgenommen mit  „Experten“ eine  Verfahrensanalyse am „Runden Tisch“ oder Talkshows vorzunehmen, wo das Urteil (ohne es in seiner schriftlichen Begründung zu kennen) eingehend diskutiert wird.

Bei so viel „Spektakel“ (Originalzitat des Präsidenten des Landesgerichts für Strafsachen Wien) stellt sich die bange Frage, was für den Angeklagten nun schwerer wiegt, die Verurteilung oder die mediale Hetzjagd samt Pranger-wirkung der via digitalen Medien unauslöschlichen Berichterstattung. Für die Gerichte und Staatsanwaltschaften gilt es den Spagat zu schaffen zwischen dem unbestrittenen Recht auf Information der Bevölkerung und dem Schutz der Persönlichkeitsrechte von Angeklagten und  allen weiteren Verfahrensbeteiligten. Angesichts bevorstehender weiterer spektakulärer Verfahren ist es höchst an der Zeit, hemmungslosen Voyeurjournalismus in die Schranken zu weisen, weil auch derartige Verhaltensweisen das Ansehen der Gerichtsbarkeit nachhaltig beinträchtigen können.

 
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